Sichtbarwerdung

Sieht der Betrachter nur die auf dem Werk sichtbaren Darstellungen und Farben?
Ist es nicht doch so, dass die vom Schaffenden gewählten Farben, Muster, Ornamente, Bögen, Linien, Strukturen in einer jeweils bestimmten Intensität, Zartheit, Anordnung, Reihenfolge, Aneinanderreihung, Schichtanordung, Aufteilungen, Form- und Farbkombination, aufgebracht werden.
Ob konstruiert, geplant, spontan, zufällig - aber immer als Aktion von Innen kommend, um in einen vom Schaffenden bestimmten Moment als abgeschlossen erklärt zu werden.
Nun ist der Betrachter jemand anders, außen stehend.
Also was mag er sehen?
Ich weiß, er sieht nicht nur, sondern er empfindet. Wenn er die Empfindung zulässt, beginnt er zu verstehen. Beschäftigt er sich mit dem Künstler, versteht er mehr. Nicht zwingend die Intention des Schaffenden, wohl aber seine eigene Intention, warum ausgerechnet dieses Werk besonders berührt. Er wird das nicht unbedingt erklären können. Das muss er auch nicht. Wenn die Empfindung groß genug ist, wird er den Wunsch haben, sich mit dem Werk zu umgeben. Wenn er es sich leisten kann, wird er es kaufen.
Er kauft damit nicht wirklich etwas materielles, sondern eine Schöpfung, somit auch seine Schöpfung. Gleichzeitig sorgt er damit für das "Brot" des Künstlers. Damit nimmt er unbemerkt Teil an einem seiner nächsten Werke.

K. Hertach/Sept. 08